Zu der Frage, warum sich Wladimir Putin in Nordkorea aufhält, gibt es zwei Ansichten.
Erstens hat Russland im Moment keine andere Wahl. Durch seine anhaltende Invasion in der Ukraine ist das Land vom Westen isoliert und gezwungen, sich nach Osten zu orientieren. Der Besuch in Pjöngjang, dem isoliertesten Staat der Welt, sei ein Ausdruck der Verzweiflung Moskaus, sagen manche.
Die Gegenmeinung ist, dass Russland derzeit viele Optionen hat. Man führe Gespräche mit Kuba, China und sogar den Taliban. Andere wiederum glauben, dass dies ein kalkulierter Schachzug sei, um zu zeigen, was möglich ist, wenn der Westen in Russlands Augen zu weit geht.
„Putin ist wütend“, meint Chris Monday, außerordentlicher Professor an der Dongseo-Universität in Busan. Er meint damit, dass die NATO-Verbündeten, darunter Großbritannien, der Ukraine die Erlaubnis erteilt hätten, mit ihren Waffen Angriffe innerhalb Russlands durchzuführen.
„Er hat das Gefühl, dass der Westen aus seiner Sicht viele rote Linien überschritten hat, und er will dem ein Ende setzen.“
So oder so, ob der russische Präsident nun mit der Mütze in der Hand auftritt oder mit der Faust droht, der Westen wird über die möglichen Folgen dieser engeren Beziehungen beunruhigt sein.
In Washington geht man davon aus, dass Nordkorea bereits Munition an Russland liefert, die in der Ukraine eingesetzt werden soll. Und US-Außenminister Antony Blinken äußerte die Befürchtung, dass der Handel zunehmen werde.
Darüber hinaus gibt es auch Befürchtungen hinsichtlich der Gegenleistung, die Nordkorea erhalten könnte: Könnte Moskau etwa auf die Hilfe für Pjöngjangs Atom- und Raketenprogramme verzichten?
Beide Seiten bestreiten dies, doch man könnte argumentieren, dass das heute unterzeichnete Abkommen das gegenteilige Signal sendet.
Der „umfassende strategische Partnerschaftspakt“ beinhaltet eine gegenseitige Verteidigungsklausel für den Fall einer „Aggression“ gegen eine der beiden Parteien, wie Herr Putin es ausdrückte.
Er sagte auch, dass Russland die „Entwicklung“ einer militärisch-technischen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern nicht ausschließe. Unheilvolle Worte für den Westen und insbesondere für Südkorea.
„Die Leute hier sind sehr besorgt“, sagte Herr Monday.
„Es gibt zum Beispiel immer mehr Gespräche über die Entwicklung einer südkoreanischen Atomwaffe.
„Vor einem Jahr schien das unmöglich, aber jetzt reden die Leute darüber.“
In den russischen Staatsmedien wird natürlich nicht so über den Besuch gesprochen. Hauptthema ist Putins herzlicher Empfang.
„So hat man Putin noch nie empfangen“, lautete die Schlagzeile einer Boulevardzeitung.
„Um Wladimir Wladimirowitsch zu treffen, versammelten sie fast die halbe Hauptstadt“, fuhr der Artikel fort.
Und so sah es jedenfalls aus: Scharen offenbar jubelnder Nordkoreaner, die vor einem riesigen Porträt ihres Gastes russische Flaggen schwenkten.
Während der US-Präsident als Führer der freien Welt gilt, hat man hier das Gefühl, Wladimir Putin werde als Führer der sanktionierten Welt gefeiert.
Sehen Sie: Herrn Kims zeremonieller Empfang für Herrn Putin …